24. November 2020
Aus dem Bundestag: Prof. Dr. Andrew Ullmann, MdB
Bericht
Der November war geprägt von den US-Wahlen, dem momentanen Lockdown „light“ und wie wir damit umgehen sollen. Er war aber auch geprägt von der berechtigten Hoffnung auf einen oder mehrere Impfstoffe gegen COVID-19. Diese können uns vielleicht schon in den nächsten Monaten in die Lage versetzen, besonders vulnerable Gruppen in Gesundheitseinrichtungen und Pflegeheimen zu impfen, um insgesamt besser mit dem Virus umgehen zu können. Darüber hinaus war und ist der Entwurf des Dritten Bevölkerungsschutzgesetzes und insbesondere der im Eilverfahren durch die Große Koalition beschlossene § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG) ein politisches Thema, das wir als Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag intensiv diskutiert und kritisch begleitet haben.
Der Gesetzentwurf enthält zwar wichtige und richtige Punkte, wie z. B. die Abschaffung der Meldepflicht bei Corona-Selbsttests, die Verbesserung der digitalen Anbindung der Labore oder die Nutzung von tier- und zahnärztlichen Laboren für Corona-Tests. Viele dieser Punkte haben wir bereits seit Monaten gefordert.
Als FDP-Fraktion haben wir jedoch eine stärkere Beteiligung des Parlaments bei der Bekämpfung der Pandemie und insbesondere eine konkretere gesetzliche Grundlage für die Maßnahmen und die mit ihnen verbundenen tiefgreifenden und flächendeckenden Grundrechtseingriffe gefordert. Eine dauerhafte Akzeptanz der Bevölkerung für die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ist nur dann zu gewährleisten, wenn diese nachvollziehbar sind und in transparenten Entscheidungsprozessen gefunden werden. Die Diskussionen und Entscheidungen der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten fanden und finden hinter verschlossenen Türen statt. Letztlich wurden die Bürgerinnen und Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt, ohne die ausgetauschten Argumente hinreichend nachvollziehen zu können. Wir fordern, dass diese Debatten in den Parlamenten geführt werden. Derart grundrechtsbeschränkende Maßnahmen können nur dann weitreichende Legitimation erhalten, wenn sie eine konkrete gesetzliche Grundlage haben, über die im Bundestag und in den Landtagen diskutiert und abgestimmt wird.
Wir fordern eine Befristung der Maßnahmen und eine Berichtspflicht der Bundesregierung an das Parlament. Wir haben als FDP-Fraktion verschiedene Änderungsanträge zum Gesetzentwurf eingebracht. Diese wurden allerdings von einer parlamentarischen Mehrheit abgelehnt. Deshalb habe auch ich gemeinsam mit meiner Fraktion dem Gesetz nicht zugestimmt.
Was mich jenseits der Corona-Pandemie gefreut hat, ist die Abwahl Donald Trumps. Ohne mich ständig rechtfertigen zu müssen, kann ich nun auch wieder in der Öffentlichkeit sagen, dass ich nicht nur deutscher Staatsbürger bin, sondern auch amerikanischer. Die US-Präsidentschaftswahl hat ein eindeutiges Ergebnis hervorgebracht. Ich selbst habe auch gewählt. In Massachusetts, meinem letzten Wohnort in den USA. Damals habe ich noch an der Harvard Medical School gearbeitet.
Für mich ist die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit ein tragender Pfeiler nicht nur in meinem persönlichen Leben, sondern auch politisch. Aus meiner Sicht haben wir keine Alternative zur transatlantischen Wertegemeinschaft und somit zur Gemeinschaft der EU und Nordamerika insbesondere den USA. Das zeigt sich zurzeit sehr deutlich an der erfolgreichen Zusammenarbeit von BioNTech und Pfizer. Beide Unternehmen sind mir gut bekannt und ich freue mich über den regen Austausch, den wir haben und hatten. In dem Bereich der Biotechnologie steckt nicht nur die Zukunft der menschlichen Gesundheit. In ihr kann auch die Zukunft der deutsch-amerikanischen Kooperation stecken. Für mich ist klar, dass Bio- und Medtech die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland sein sollten.
In der Kooperation von BioNTech und Pfizer hat sich nicht nur gezeigt, dass Start-up und Großkonzern voneinander profitieren können, sondern auch, dass wir Big Business brauchen, um dieses Mal die Welt wirklich „ein bisschen zu retten“. Jetzt liegt es fraglos an den verantwortlichen politischen Akteuren in Bund, Land und Kommune, die wissenschaftliche Vorarbeit den Menschen zur Verfügung zu stellen.
Dabei darf es nicht darum gehen, jemanden außen vor zu lassen. Es geht im ersten Schritt um die effiziente Verteilung eines zunächst knappen Impfstoffes, damit die wenigen zu Beginn verfügbaren Impfdosen die maximale Wirkung haben. Daher ist es richtig, dass zunächst Risikogruppen und Mitarbeiter des Gesundheitswesens geimpft werden.
Das Kontingent wird erst nach und nach steigen. Der sinnvollste Weg diese begrenzten Ressourcen zu verteilen sind die Impfzentren mit mobilen Einsatzteams. Hier muss es früh eine gute Verzahnung der beteiligten Kliniken, Arztpraxen und des öffentlichen Gesundheitsdienstes geben. Nur so kann eine effektive Impflogistik vor Ort funktionieren, um die Herausforderungen der Lagerung des Impfstoffs und der Erreichbarkeit der betroffenen Personen zu meistern.
Dabei ist die Ärzteschaft bereit, Verantwortung zu übernehmen. Sie werden als Partner gleich am Anfang der Impfkampagne dringend gebraucht, um die notwendigen hohen Impfzahlen in kurzer Zeit umzusetzen.
Ich freue mich darüber, dass die Bereitschaft der Ärzteschaft so groß ist. Bei einer Umfrage des Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) sprachen sich 79 \\% der Internisten dafür aus, dass die SARS-CoV-2 Impfungen durch die Praxen erfolgen soll. Die Ärzteschaft ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. Sie werden als Partner gleich am Anfang der Impfkampagne dringend gebraucht, um die notwendigen hohen Impfzahlen in kurzer Zeit umzusetzen. Niedergelassene Ärzte darauf zu degradieren, nur Atteste auszustellen, ist daher weder sinnvoll noch zielführend.
Neben zentralen Impfzentren müssen mobile Einsatzteams existieren. Sie ergänzen diese Anlaufstellen, um u.a. in Pflege- und Altenheimen schnell und effizient zu impfen. Ich halte es für falsch, bei der Verteilung des Impfstoffes auf Nachweispflichten zu setzen. Stattdessen sollte direkt und niedrigschwellig geimpft werden können. Wir können uns keine bürokratischen Bremsen erlauben. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. Gerade die niedergelassenen Haus- und Fachärzte kennen die Risikopatienten vor Ort, deshalb müssen auch sie in die regionale Impflogistik eingebunden werden. Dazu bedarf es keiner weiteren Bürokratie.
Gehen wir verantwortungsbewusst im Sinne unserer eigenen Gesundheit, aber auch der unserer Lieben in die letzten Wochen dieses für uns alle so herausfordernden Jahres! Nehmen wir die ermutigenden Nachrichten über möglicherweise nun sehr schnell zur Verfügung stehender Impfstoffe als optimistischen Wegweiser, um entschlossen in unseren Bemühungen und unserem Handeln in ein neues Jahr zu schauen, dass uns beweisen kann, dass wir gemeinsam zu großen gesellschaftlichen Kraftanstrengungen in der Lage sind.