Würzburg, 6. September 2003
"Lebensgefühl und liberale Haltung statt Details"
Guido Westerwelle in Würzburg
Liberaler Bundesvorsitzender Westerwelle zur zentralen unterfränkischen Wahlkampfveranstaltung in Würzburg.
WÜRZBURG (wolf) Da schaut er von der Leinwand runter aufs Wahlvolk: blaue Augen, Schalkslächeln, freundlich, fast ein wenig väterlich, im Bildhintergrund das nächtliche Maximilianeum - Guido Westerwelle im Cinemaxx, Kinosaal 2. Die unterfränkische FDP und knapp 300 Leute, auffällig viele junge darunter, erwarten den Bundesvorsitzenden der Liberalen zur zentralen unterfränkischen Wahlkampfveranstaltung. Er kommt mit Verspätung, betritt den Saal mit einem "Schönen guten Abend zusammen", und die Leute applaudieren freundlich. Marianne Blank, unterfränkische FDP-Spitzenkandidatin für den Landtag aus Schweinfurt, versucht das Publikum einzupeitschen: "Das schwarze Bayern braucht gelb!" - Drei Zuhörer klatschen zögerlich in die rhetorische Pause hinein. Moritz Kracht, Kandidat aus Würzburg, warnt vor der Gefahr einer Zweidrittelmehrheit der CSU im Landtag, nur ein Einzug der FDP ins Parlament könne das verhindern. Klatschen. Guido Westerwelle ist ein Schelm. Ob er jetzt den ganzen Abend Wasser trinken müsse, klagt er und spricht gefällig von bayerischen Gepflogenheiten beim Umgang mit Alkohol. Das Publikum ist amüsiert. Einer bringt ihm Bier. Westerwelle nippt dran und nimmt den nächsten Schluck über eine Stunde später, nach seiner Rede. "Recht fulminant" sei die gewesen, wird Kracht dann resümieren, und "auch ein wenig von Humor geprägt". Westerwelle geht nicht in Details. Es geht ihm, sagt er, um ein ctx2Lebensgefühl, eine liberale Haltung, eine Richtung. Wer was von Leistungsbereitschaft, Toleranz und Weltoffenheit halte, der müsse FDP wählen. Er streichelt seine Mannschaft: Im Gegensatz zu den anderen Kandidaten könnten die FDP-Kandidaten auf keine Landtagsfraktion zurückgreifen - die Kleinstparteien, die mit der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind, kommen bei ihm nicht vor. Rein ehrenamtlich seien die bayerischen Liberalen zu Gange, viel Engagement gehöre dazu, und auch Mut, sich im Freistaat zur FDP zu bekennen. Dann liberales Trommelfeuer: Zu viel bürokratische Staatsherrschaft gebe es im Land und zu wenig soziale Marktwirtschaft. Über Jahrzehnte hinweg hätten die Deutschen jedem neuen Problem eine neue Steuer und einen neuen Paragrafen hinterher geworfen. Die Staatsquote sei zu hoch, die Subventionen auch, Mut müssten Politiker beweisen und beide senken. "Man muss als Politiker notfalls das als richtig Erkannte durchsetzen", sagt er, auch wenn einem dann Blumen zuflögen, an denen die Töpfe dranhingen. Stark sei der Staat, der sich auf seine Kernkompetenzen besinne, wie innere und äußere Sicherheit, soziale Gerechtigkeit, Bildung und kulturelle Vielfalt. Schwach sei der Staat, der sich in Gefälligkeiten verliere. Er kommt auf eine liberale Hassfigur, die Ökosteuer, zu sprechen, erweitert die Bonmots "Rasen für die Rente" und "Rauchen für die Gesundheit" um "Trinken für die Truppe", spricht da von "interessanten Selbstfinanzierungseffekten" und nimmt das gleich wieder zurück, weil es nicht politisch-korrekt sei. Steuererklärungen müssten auf ein DIN- A 4-Blatt passen, der Freistaat müsse seinen Anteil an einer indischen Bierbrauerei ebenso abstoßen wie überhaupt endlich die Privatisierung staatlicher Unternehmen fällig sei. Westerwelle spricht von Florida- Rolf und Viagra-Kalle: Der Sozialstaat müsse die Schwachen nicht nur vor den Starken, sondern auch vor den Faulen schützen. Schließlich: Das Vertagen der Strukturreformen sei das eigentliche Problem. Das Land brauche weniger Spiegelfechtereien, dafür aber ein "Scharnier der Vernunft, und das sind wir Freien Demokraten".